Für die schnellen Aktionen keine Zeit

16.09.2025
Design
Kunst
Christina Schwemberger
Seine Kunstwerke entstehen dort, wo es normalerweise nichts Besonderes zu sehen gibt. Der Tiroler Künstler HNRX malt auf Häuserfronten, in Bahnunterführungen, auf Brückenpfeilern. Mit schnell gesprühten Graffitis kann man die Malereien aber nicht vergleichen. Es sind freie Auftragsarbeiten, für die sich der Künstler viel Zeit nimmt. Gut Ding braucht eben Weile.

Wer im Raum Innsbruck unterwegs ist, hat den Schriftzug „HNRX“ bestimmt schon einmal gesehen, bewusst oder unbewusst. Es ist die Signatur zahlreicher Murals, jener farbenkräftigen Malereien, die den grauen Beton des öffentlichen Raums in offene Galerien verwandeln. Eines der größten Werke von HNRX befindet sich an der Fassade des Unternehmens „Tiroler Rohre“ in Hall in Tirol. Das Kunstwerk ist 37 Meter hoch und für Zugreisende ein Eyecatcher.

Auch in Innsbruck hinterließ HNRX kürzlich wieder seine künstlerischen Spuren, ein weiteres Mal in der Bogenmeile, wo er bereits 2015 einen Bogen von seinem grauen Dasein befreite. Jetzt haben auch die Bögen Nr. 62 und Nr. 64 ihre Unscheinbarkeit verloren. Seit kurzem sind die ehemals farblosen Bögen links und rechts der Pizzeria „A Casa“ echte Hingucker. HNRX hat sie in den Farben Gelb, Orange und Grün gestaltet, etwas Schwarz ist auch dabei. Er nennt das Projekt „Keinheitsbraun“. Er will damit ein Zeichen gegen die Vereinheitlichung der Bogenmeile setzen. Als Jugendlicher war HNRX oft in den Bars und Clubs in den Innsbrucker Bögen unterwegs. Es liegt ihm am Herzen, mit diesem Werk darauf aufmerksam zu machen, dass die Subkultur in der Bogenmeile nach wie vor ein Zuhause hat.

HNRX bei der Gestaltung von einem der beiden Bögen in der Ing. Etzel-Straße in Innsbruck. Foto: Manuel Kokseder

Wer ist denn eigentlich dieser HNRX?

HNRX ist der Künstlername von Maximilian Prantl. Als 14jähriger hat der gebürtige Inzinger mit Graffiti angefangen, indem er kreative Buchstaben-Formen auf nicht immer legalen Flächen aufgesprüht hat. Wie in der Szene üblich wählte Maximilian ein Synonym. Er fand den Namen „Henryx“ spannend. Ohne Selbstlaute geschrieben, aber mit Selbstlauten gesprochen wirkte der Name für ihn ästhetischer. Es entstand ein reiner Fantasiename, der ihn bis heute begleitet.

Der Name ist der gleiche, aber sonst ist einiges anders geworden. Mittlerweile lebt HNRX nicht mehr nur in Tirol, sondern auch in Hamburg. Seine Arbeiten sind schon lange nicht mehr illegal, sondern ausdrücklich erwünscht. HNRX wird offiziell beauftragt, Wände im öffentlichen Raum und auch privat zu gestalten. Der Künstler hat dabei völlige kreative Freiheit, entwirft und plant seine Kunstwerke von langer Hand. „Für die schnellen Aktionen habe ich keine Zeit,“ sagt er. Erst wenn er seine Idee auf dem Tablet exakt visualisiert hat, macht sich HNRX an die Übertragung auf die Fassade. Er benutzt überwiegend Pinsel und verwendet Dispersionsfarben, die für Umwelt und Gesundheit wesentlich schonender sind als Sprühlacke.

Aufmerksame Beobachter:innen haben diese vier Buchstaben bestimmt schon irgendwo im Innsbrucker Raum gesehen. Foto: Christina Schwemberger

Woher kann er das alles?

HNRX hat die verschiedensten Maltechniken autodidaktisch studiert und sich zu einem Künstler mit unterschiedlichen Gestaltungsmethoden entwickelt. Er liebt das Arbeiten im öffentlichen Raum, er ist sehr gerne draußen. Aber nicht nur. Er bespielt auch Leinwände, bearbeitet Holz und Stoffe. „Ich sehe mich mehr als Contemporary Artist als reiner Urban-Art-Künstler, weil ich auch gerne das ganze Spektrum ausprobiere und nicht nur eine Schiene bediene,“ erklärt er seine Kunstrichtung.

Inspiration holt sich der Künstler unter anderem aus der Musik. Früher war es Hiphop und Rap, heute gibt es kein Genre, das ihn nicht interessiert. „Es gibt auch Phasen, da höre ich zwei Wochen lang nur Schlager. Wenn ich lange in Hamburg bin und der Winter lang ist, dann habe ich eine Heimatphase, dann kann es auch DJ Ötzi oder ein Heimatschlager sein.“ Wer hätte das gedacht.

Jedes Kunstwerk wird im Vorfeld am Computer entworfen. Foto: Christina Schwemberger

Der rote Faden

Charakteristisch für HNRX kommen in vielen Arbeiten stilisierte Alltagsgegenstände vor. Auf den kürzlich gestalteten Innsbrucker Viaduktbögen findet man unter anderem eine Kirsche und eine Schere. Genauso gut könnten Knackwürste, Mandarinen, Zündhölzer oder Wäscheklammern abgebildet sein. Die meisten Entwürfe von HNRX kommen aus dem Figurativ und wandeln sich ins Abstrakte. Die Interpretation überlässt er den Betrachtenden stets selbst und auch, ob sie es gut finden oder nicht. Nicht die Verschönerung einer Fassade oder einer Mauer steht im Vordergrund, er will Denkanstöße geben und Emotionen beim Betrachten hervorrufen. Nicht immer ist das Feedback positiv. Je abstrakter seine Malereien sind und je mehr Interpretationsspielraum möglich ist, desto kritischer sind oft die Reaktionen. Auf der anderen Seite gibt es auch sehr viele, die sich über die Kunstwerke von HNRX freuen. Viele geben ihr Feedback oft noch vor Ort, während das Kunstwerk entsteht. „Das ist manchmal gut, manchmal schlecht,“ sagt HNRX. Er mag diese Arbeitsweise sehr.

„Unter der Brücke“

Der Künstler ist sehr ambitioniert, wenn es darum geht, die Gestaltung von Großfassaden in Städten zu fördern. Dafür hat HNRX 2018 den Verein „Underbridge“ gegründet und das gleichnamige jährlich stattfindende Festival in Innsbruck ins Leben gerufen. Auch in Hamburg, der Zweitheimat von HNRX, findet dieses Festival mittlerweile statt. Bei diesen „Urban Art Festivals“, das eigentlich Programme sind, gestalten eingeladene Künstler:innen aus aller Welt Fassaden in der jeweiligen Stadt, zeigen ihre Werke in Ausstellungen und leiten Workshops, um ihr Wissen an Interessierte weiterzugeben. Zum Glück ist es heutzutage leichter, solche Flächen zu bekommen. Trotzdem bedarf es noch viel. „Es gibt nach wie vor zu weniger Festivals dieser Art in Österreich,“ sagt er.

Tirol zum Auftanken

HNRX pendelt zwischen Tirol und Hamburg. Er ist auch sonst viel in Großstädten wie Straßburg, Athen, Paris und London unterwegs, um mit seinen Kunstwerken den urbanen Raum zu prägen. Wenn er nach Tirol zurückkommt, geht er als erstes im Wald spazieren. „Die Natur gibt mir Kraft, hier tanke ich auf,“ erklärt HNRX seine Liebe zur Natur in Tirol. „Ich habe außerdem das Skifahren für mich wieder entdeckt.“ Einer seiner Lieblingsplätze ist die Innsbrucker Altstadt, die im Vergleich zu Hamburg beschaulich, aber sehr vertraut ist. Etwas, was er sehr mag und das ihn spüren lässt: „Ah, ich bin wieder in Innsbruck!“

Für die Zukunft Tirols wünscht sich HNRX, dass die Leute offenbleiben. Für seine Kunstrichtung sind es schon viele. Man darf sich auf weitere Kunstwerke von ihm freuen, einige sind schon geplant. Wenn man in Zukunft bei einem Spaziergang durch Innsbruck Glück hat, trifft man den Künstler vielleicht höchstpersönlich bei der Arbeit. Und wenn nicht, dann beweisen vier kleine Buchstaben, dass HNRX wieder ein graues Stück der Stadt in farbenfrohe Kunst verwandelt hat.

Der linke Bogen. Foto: Manuel Kokseder

Der rechte Bogen. Foto: Manuel Kokseder

Weitere Informationen: HNRX
Video: Jakob Strassl
Videoschnitt: Jonathan Schmid
Fotos: Manuel Kokseder, Jakob Strassl (Titelbild), Christina Schwemberger

Christina Schwemberger

schreibt leidenschaftlich gerne Geschichten über die Menschen in Tirol und über Themen, die das Land weiterbringen. Sie ist in der Unternehmenskommunikation für die Lebensraum Tirol Gruppe tätig und wohnt in Axams.