Seit 2018 baut die Familie Halbfurter auf ihrem Hof im Osttiroler Dölsach Hanf an, erntet und veredelt ihn. Die uralte Kulturpflanze hat ihren eigenen Willen. Den haben die Halburters auch.
Die Hanf-Flüsterer. Diese Episode ist herrlich heiter und sie wird wohl noch viele Jahre erzählt. „Im ersten Jahr war das Hanf-Feld in der Nähe vom Radweg. Im Sommer gab es deswegen sicher ein bis zwei Anzeigen pro Woche“, erzählt Michael Halbfurter – und lacht herzhaft. Den Radfahrer:innen war offenkundig weniger nach Lachen zumute, als sie die Pflanzen erblickt und vielleicht auch noch gerochen haben. Sie müssen jedenfalls arg Illegales vermutet haben, als sie die charakteristischen Pflanzen als Hanfpflanzen identifizierten und ihre Entdeckung flugs der Polizei meldeten. Entsprechend empört, versteht sich. „Die Polizei hat sich am Anfang auch nicht ausgekannt und bei so etwas, fängt es bei mir zu kribbeln an“, sagt Michael. Der Schelm in ihm kam damals jedenfalls auf seine Kosten, doch um die Nerven der Exekutive nicht allzu sehr mit letztlich Sinnlosem zu strapazieren, bekommt sie zwischenzeitlich immer einen Lageplan der Hanffelder, die den Hanserhof in Dölsach seit 2018 zum Hanf-Hof machen.
Hanf. Diese uralte Kulturpflanze, die schon vor 12.000 Jahren in China und Persien als Getreide angebaut wurde, deren Samen gegessen und deren Fasern zur Herstellung von Papier oder Kleidung verwendet wurden, hat die Menschheit auch mit ihrer heilenden Kraft über Jahrtausende treu begleitet. Gutenbergs erste Bibel war auf Hanf gedruckt, Kolumbus erreichte Amerika mit Tauwerk und Segeln aus Hanf und auch die erste Jeans von Levi Strauss war aus Hanf. Die Industrialisierung fegte Hanf fast flächendeckend von den agrarischen Landkarten und irgendwann bekam Hanf wegen des potenziell halluzinogenen Potenzials – Tetra-hydro-cannabiol oder THC ist hier das Stichwort – jenen verbotenen Ruf, der die Radfahrer:innen im Osttiroler Dölsach Alarm rufen und Michael regelmäßig verschmitzt grinsen ließ. Auch weil sein Hanf THC-armer Nutzhanf und für halluzinogene Momente ungeeignet ist.
Über viele Generationen hatte Michaels Familie den Bauernhof traditionell bewirtschaftet – konzentriert auf Kühe und deren Milch. Mit dieser Form der Bewirtschaftung hatten Michael und seine Frau Karin schon ein wenig gehadert, als zwei HTL-Schüler 2015 für ein Maturaprojekt über die Rohstoff-Pflanze Bauern suchten, die versuchsweise Hanf anbauen würden. Michael sagte sofort zu, bereits begeistert und ohne groß nachzudenken: „Ich sage immer, der Hanf ist zu uns gekommen.“ Und das mit richtig großer Kraft und für die Familie tiefgreifendem Veränderungspotenzial.
„Ich habe mich um den Anbau und die Ernte gekümmert, meine Frau Karin hat in der Küche experimentiert und an der Veredelung getüftelt“, so Michael. Weil die Pflanze so vielseitig ist, sind die Nutzungsmöglichkeiten auch so vielfältig. Hanf strotzt geradezu vor mehrfach gesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen, sodass die Körner in Müslis oder Mehl verarbeitet ganz wunderbar ausgewogene und schmackhafte Lieferanten dieser essenziellen „Lebensstoffe“ sind. Auch bei der Veredelung der Inhaltsstoffe im Hanf-Öl und dem bei zahlreichen Beschwerden einsetzbaren und stets entspannenden CBD-Öl hat Karin Halbfurter Meisterhaftes geleistet, sodass das Portfolio des Bio-Hofes bald ansehnlich wurde und die Nachfrage parallel zum rasch gewachsenen Bewusstsein gegenüber der wiederentdeckten Heilpflanze wuchs – und weiter wächst. „Viele kommen auf uns zu und fragen, ob sie unsere Produkte haben können. Das macht uns schon Freude.“ Freude macht ihm und seiner Familie – vier lebenslustige Kinder zählen dazu – auch das Experimentieren. Jahr für Jahr werden neue Sorten getestet und Jahr für Jahr wird die Pflanze besser kennengelernt. „Hanf ist nicht wie Mais. Man muss ihn verstehen, um mit ihm arbeiten zu können“, weiß Michael. Heikel sind etwa die Fasern, die zur Herstellung von nachhaltigen Textilien genutzt werden können. Um sie zu extrahieren, werkelt Michael – er ist engagierter Tüftler und begnadeter Problemlöser – an der perfekten Maschine, und sagt: „Wenn das so weiter geht, werden wir unseren Familiennamen in Hanffurter umändern.“ Passt.
Hanf ist eine höchst spannende und geschichtsträchtige Pflanze, mit dem auch die breite Palette der Rohstoffe für die Tiroler Almkulinarik erweitert beziehungsweise ergänzt wird. Was Tirol hier alles zu bieten hat, kannst Du hier nachlesen…