Tirol ist ein Mekka für Kletter-Begeisterte. Zahlreichen Kletter-Anlagen befeuern die vertikalen Reize.
Radikal vertikal. Diese Staubwolke ist so speziell, wie das Klatschen, das sie verursacht. Klatschen Kletternde begeistert in die Hände bedeutet das meist nicht nur, dass sie wieder sicher am Boden stehen, sondern eben auch, dass gerade irgendwas richtig gut gelaufen ist. Beim freudvollen Klatschen wirbeln die Magnesium-Partikelchen durch die Luft, die zuvor für festen Halt gesorgt und feuchte Hände verhindert hatten. Darum die Staubwolke. Hat sie sich verflüchtigt, kommt ein strahlendes Gesicht zum Vorschein, das eine Höchstleistung zelebriert. Ein stolzer Augenblick.
Wie schon kleinste Kraxler diesen Moment genießen, konnte zuletzt im November 2022 im Kletterzentrum Innsbruck beobachtet werden, wo sich der Tiroler Kletternachwuchs traf, um um die Wette zu klettern. Der Staubwirbel, den die Kleinen dabei auslösten, ist ein herrliches Symbol für das Kletterland Tirol, wo das geschickte Überwinden der Schwerkraft in der radikalen Vertikalen möglicherweise längst im Erbgut verankert ist. Kann das sein?
Mehr als 30 Kletterhallen, über 120 Sportklettergärten, rund 80 Mehrseillängen- sowie acht Bouldergebiete und nicht zuletzt das 2017 eröffnete Kletterzentrum Innsbruck, das zu den größten, modernsten und vielfältigsten der Welt zählt, sind recht eindrucksvolle Hinweise darauf. Erfolgsgeschichten erhärten zudem den Verdacht einer Kletter-DNA. Wie jene von Anna Stöhr, deren Biografie mit Highlights wie doppelte Welt- und Europameisterin oder vierfache Gesamtweltcup-Siegerin im Bouldern blitzt und die so typisch tirolerisch begann. „Ich habe ziemlich früh mit dem Klettern angefangen, weil meine Eltern beide viel an Felsen rund um Europa unterwegs gewesen sind und mich und meine Schwester immer mitgenommen haben“, stellte Anna Stöhr in einem Interview klar, dass es die familiäre Leidenschaft war, die ihre eigene Lust am Klettern entfachte. Im Alter von acht Jahren trat sie einer kleinen Klettergruppe in Innsbruck bei und acht Jahre später machte sie erstmals die Welt auf sich aufmerksam. 2004 war das, als sie mit 16 Jahren Vizeeuropameisterin wurde – und bald zu einem Aushängeschild des Klettersports, der so viele Facetten hat.
Wenn die zahlreichen Kraxler des Landes betrachtet werden und die vielen Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, wirkt es fast eigenartig, dass Klettern eine relativ junge Sportart ist. Zwar gibt es Hinweise, dass die Schweizer schon vor knapp 2.500 Jahren Wagemut erfordernde Felsen bezwungen haben müssen und es ist auch bekannt, dass der italienische Dichter Francesco Petrarca im Jahr 1336 erstmals einen Gipfel nur um des Gipfelsieges willen bestieg. Das Geburtsjahr des sportlich motivierten Kletterns ist jedoch das Jahr 1864, als eine Handvoll Turner den Falkenstein in der Sächsischen Schweiz bestiegen. Damit wurde eine Lawine ausgelöst, die bald über alle Grenzen schwappte und in einer Vielzahl von Varianten gipfelte. Von Freiklettern über Bigwall-Klettern, Sportklettern, Hallenklettern, Bouldern, Speedklettern, Gebäudeklettern, Eisklettern, Höhlenklettern, Rettungsklettern, T5-Klettern und Free Solo hin zu Deep Water Soloing reicht die Palette. Egal wo und egal wie, ist es ein eigener Lebensstil der die Begeisterten eint. Dass sie diese Begeisterung auch teilen und nach außen tragen können, wurde nicht zuletzt bei der Kletter-WM 2018 klar, als rund 700 Athlet:innen aus 65 Ländern nach Innsbruck kamen – mit dem Ziel, sich mit den Besten zu messen. Und mit ihrem Siegesklatschen Staub aufzuwirbeln.
Über 120 Sportklettergeräte, rund 80 Mehrseillängengebiete und acht Bouldergebiete prägen diesen urspannenden Teil des Sportlandes Tirol. Warum Sport und Tirol ein so perfektes Paar sind, erfährst Du hier…