Mit dem Stadtbike zum Skifahren zu fahren ist eine recht außergewöhnliche Mobilitäts- und Spaß-Kombination. Urban-alpin. Wie Innsbruck.
Fahrrad küsst Ski. „Das ist ziemlich cool und chillig“, sagt Paul. Er selbst wirkt auch so. Ziemlich cool und ziemlich chillig, aber auch ziemlich energiegeladen. Eine fantastische Kombination. Auf jeden Fall eine, die recht gut nach Innsbruck passt. Es ist kurz vor halb elf Uhr vormittag, die Wintersonne scheint und die Temperaturen würden erfolgreich Herbst vorgaukeln, wären die Bäume nicht bereits ratzebutz kahl. Das Bergmassiv der Nordkette ist hingegen schneebedeckt – und verlockend. Paul kniet am Platz vor der Uni-Bibliothek und werkelt an seinem Fahrrad herum. Daneben stehen Schischuhe, die durch ein breites langes Band miteinander verbunden sind, Skistöcke, Ski und ein offener Rucksack, der den Blick auf ein Stück Laptop zulässt. Die Puzzlestücke ergeben ein sonderbares Bild. Vor allem auch, weil das Rad ein klappriges Dreigang-Modell aus dem letzten Jahrtausend ist, das Paul da zum Laufen bringen will. Mit dem betagten Fahrrad seiner Mama fährt er lieber durch die Stadt, als mit dem Mountainbike. „Das will echt niemand klauen“, sagt er und begleitet den erfolgreichen Eingriff an der Fahrradkette mit einem euphorischen „Yes, jetzt kann’s los gehen.“
Paul packt sein Reparaturset in den Rucksack, befestigt daran mit geübten Griffen an jeder Seite einen Ski, die Stöcke klemmt er an das Rucksacknetz, die Skischuhe hängt er um den Hals und den Skihelm setzt er gleich auf, um derart gerüstet in Richtung Talstation der Hungerburgbahn zu fahren. Mit dem Fahrrad zum Skifahren. „Ich mache das immer so“, erzählt Paul und das ist es auch, was er als „ziemlich cool und chillig“ beschreibt. Weil’s stimmt.
Bis kurz nach zehn Uhr war der 19-Jährige in der Uni gewesen, „um zu schnuppern“. Noch ist Paul nämlich nicht sicher, ob er Sportwissenschaft studieren soll oder doch lieber Umwelttechnik und um ohne Stress sicher werden zu können, haben ihm seine Eltern dieses Semester geschenkt. „Ja, das ist mein Matura-Geschenk und ich genieße es sehr“, meint er. Paul lebt dieses Jahr noch zu Hause, mit verschiedenen Jobs verdient er ein bisschen Geld dazu, bereitet sich gemütlich auf das Studium vor und sagt: „Ich brauche nicht viel. Ein Auto brauche ich schon gar nicht, aber das Sporteln brauche ich schon.“ Vor allem das Skifahren, das ihn schon als kleines Kind faszinierte und über die Jahre süchtig machte.
Für diese Sucht ist Innsbruck der perfekte Ort. Um die Landeshauptstadt herum gibt es immerhin 13 Skigebiete. Rein theoretisch wären sie alle auch mit dem Fahrrad zu erreichen, obwohl eine winterliche Fahrt ins Stubaital nur für voll Wilde oder Extreme geeignet scheint. Für den chilligen, urban-alpinen Kick ist die Hungerburg- beziehungsweise Nordkettenbahn aber am allerbesten geeignet. Mitten in der Stadt in Richtung Berggipfel starten und in nullkommanix auf rund 2.300 Meter hinaufzufahren ist die eine tolle Seite daran. Mit einem klapprigen alten Rad und den Ski auf dem Buggel zur Talstation fahren zu können, die andere, nicht weniger tolle Seite. Wird dann noch bedacht, dass Paul gerade aus der Uni gekommen und das meist umständliche Gepacke vor dem Schneegaudium für ihn so gar kein Thema ist, wirkt diese Annäherung an die Pisten erstaunlich entspannt. Weil das so angesagt ist und so umweltfreundlich, wurden längst Ski Racks erfunden, Skiträger für E-Bikes, mit denen es noch leichter fällt, die Bretter per Radl zu transportieren. Für Paul ist das nichts. Er mag es simpler und zelebriert seine sportliche Unabhängigkeit weiter wie gehabt. Mit dem Rucksack und Mamas Fahrrad. Dem alten.