100% sechzehn

Wissenschaft
August 8, 2023
Innsbruck ist ein weltweit beachtetes Zentrum der Quantenphysik. Das macht den Universitätsstandort zu einem Magneten für die besten Köpfe des komplexen Faches. Hier wird mit kleinsten Teilchen große Zukunft geschrieben.
Im Innersten. Die Frage bewegt die Menschen seit ihr Geist sie geweckt hat. „Dass ich nicht mehr mit saurem Schweiß, zu sagen brauche, was ich nicht weiß; Daß ich erkenne, was die Welt
im Innersten zusammenhält“, sagt Faust in der Tragödie erster Teil. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat Johann Wolfgang von Goethe damit einen Satz formuliert, in dem das stets lustig lodernde Feuer der wissenschaftlichen Neugier steckt. Die Quantenphysik hat diese Neugier fast humorvoll belohnt. Denn seit in das Innerste der Welt geblickt werden kann, wird der Geist mit einer ganz neuen Herausforderung konfrontiert. Die kleinsten Teilchen verhalten sich ganz anders als die großen, sie können an zwei Orten zugleich sein und sind sie miteinander verschränkt, verhalten sie sich exakt gleich – selbst wenn sie Millionen Lichtjahre voneinander entfernt sind. Spukhaft. Ja, spooky. Die Gesetze der Quanten fordern den gesunden Menschenverstand heraus, laufen allen Alltagserfahrungen zuwider und ließen sogar Albert Einstein das markante Haar raufen. Vom großen Physikgenie wird jedenfalls berichtet, dass er so seine Probleme mit der Quantentheorie hatte. Die Köpfe an der Innsbrucker Quantenphysik haben das nicht. Im Gegenteil. Sie geben den scheinbar unsinnigen Gesetzen ziemlich viel Sinn und schreiben mit den kleinsten Teilchen große Zukunft.

Im Herbst 2022, als der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet wurde, erfuhr die ganze Welt davon. „Es ist eine große Stunde für die österreichische Physik, aber auch für die Universität Innsbruck, an dessen Institut für Experimentalphysik Anton Zeilinger von 1990 bis 1999 forschte und lehrte und wo er mehrere der gewürdigten bahnbrechenden Experimente durchgeführt hat“, freute sich der damalige Rektor der Universität Innsbruck, Tilmann Märk, über die Anerkennung, die schwer zu toppen ist. Zeilinger war Vorstand des Institutes für Experimentalphysik, das sehr eng mit dem 2003 gegründeten Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zusammenarbeitet, als ihm 1997 in Innsbruck die erste Quantenteleportation mit Photonen gelang – was nicht nur die Phantasie von Raumschiff Enterprise-Fans auf prickelnde Weise beflügelte, sondern auch zeigte, dass die verwirrend bizarren Quantengesetze genutzt werden können.
Der Experimentalphysiker Rainer Blatt, der ab 1995 in Innsbruck forschte, setzte die Tiroler Quantenralleye fort, indem er erstmals Atome teleportierte und mit dem ersten Quantenbyte den ersten Schritt in Richtung Quantencomputer setzte. Erstmals ist ein Adjektiv, das in dem Zusammenhang echt nie langweilt. Der Quantencomputer gilt schließlich als Heiliger Gral der ultimativen Rechenleistungen, mit denen Durchbrüche in der Medikamentenforschung genauso möglich sein werden, wie exakte, langfristige Wettervorhersagen. Der Bauplan für einen Quantencomputer entstand – wie könnte es anders sein – ebenfalls in Innsbruck, wo die theoretischen Physiker Peter Zoller und Ignacio Cirac diesen Durchbruch 1995 veröffentlichten. Mit dem immer wieder als nobelpreisverdächtig bezeichneten Papier schenkten sie der kühnen theoretischen Idee das Machbare und eröffneten den experimentellen Wettlauf um den Bau eines tatsächlichen Quantencomputers.

Dieser Wettlauf findet weltweit statt und Innsbruck bleibt dabei ein strahlkräftiges Zentrum, wurde Anfang 2023 doch beispielsweise grünes Licht für den Bau eines Hochleistungsrechners mit Quanten-Coprozessor gegeben. Das Jahr 2023 kann durchaus als wieder ein Schlüsseljahr für die herausragende Rolle des alpinen Universitätsstandortes für die globale Neugierde bezeichnet werden. Mit Gregor Weihs übernahm im März 2023 ein Quantenphysiker das Forschungsressort im neu formierten Team um und mit Rektorin Veronika Sexl. Im Frühjahr 2023 wurde zudem der viele Millionen Euro schwere Cluster of Excellence „quant A“ bewilligt, der die Quantencommunity in Österreich miteinander verbindet und wie ein Leuchtturm auch für die nächsten forschenden Generationen strahlen wird. Wieder hat Innsbruck bei der Frage danach, was die Welt im Innersten zusammenhält, die Nase vorn. Und Faust freut sich.

Forschungszentrum Quantenphysik

Innsbruck Quantum Ethics Lab

IQOQI Innsbruck