Zwischen Daten und Bienenstöcken

10.11.2025
Informationstechnologie
Wirtschaft
Eva-Maria Hofer
Mario Tuta sieht die Welt auf eine Art, die verbindet: die Berge mit Daten, die traditionelle Imkerei mit Digitalisierung. „Energieverbrauch, Wirtschaft, Klimawandel. Es gibt immer Möglichkeiten, mit Daten klügere Entscheidungen zu treffen.“ Sein Motto bleibt dabei stoisch: Fokussiere dich auf das, was in deinem Kreis der Kontrolle liegt. So bleibt Tirol lebenswert - und manchmal erzählen die Daten genau diese Geschichte. 

Das Unsereins-Interview mit Mario:

Im digitalen Zeitalter sind Daten wie eine Währung – und Mario Tuta versteht ihren Wert. Der freiberufliche Data Scientist und KI-Berater aus dem Außerfern bezeichnet sich selbst augenzwinkernd als „Datenflüsterer“ und will der Region mit seinem gelassenen Ansatz neue Chancen eröffnen – weit weg von den Klischees über Nerds und Algorithmen. Doch Mario ist mehr als ein Experte für Zahlen und Codes – er ist „ein bunter Hund“, wie er selbst sagt.

Die Berge, das Meer und die Daten

Geboren und aufgewachsen im Außerfern, die Heimat seiner Mutter, jetzt daheim in Kufstein und tief verbunden mit den Tiroler Bergen, empfindet Mario dennoch eine starke Anziehung zum Meer: Seine familiären Wurzeln führen nach Kroatien, wo sein Vater aufgewachsen ist. Diese Vielseitigkeit spiegelt sich auch in seinem Lebensstil wider: Sommer am Meer, Winter in den Bergen – für ihn die ideale Kombination. Die alpine Lebensqualität bedeutet für ihn gute Luft zum Atmen, Raum zum Denken und die Freiheit, vom Computer direkt ins Grüne zu flüchten.

Schon in seiner Kindheit begeisterte er sich für Mathematik und alles, was mit Computern zu tun hatte. Ein Nerd? „Ja, natürlich! Ein Nerd ist jemand, der sich intensiv mit einer Thematik befasst – und das tue ich“, sagt er.

Vom Datenberg zur Honigwabe

Seine Leidenschaft für Daten verbindet Mario mittlerweile auf ungewöhnliche Weise mit einem traditionellen Handwerk: der Imkerei. „Die Arbeit mit Bienen bietet mir einen idealen Ausgleich. Im stillen Wald, mit dem Lichtspiel der Sonne zwischen den Bäumen – das ist mein Rückzugsort“, erzählt er und erklärt, dass er seine Imkerei „Lichtspiel der Sonne im Wald“ – auf Japanisch Komorebi – genannt hat.

Seine Digitalisierungsexperimente an den Bienenvölkern stoßen bei manchen Imkerkollegen auf Skepsis. „8.000 Bilddaten habe ich bereits gelabelt und arbeite nun daran, Bienenbewegungen in einem Videostream zu erfassen und daraus Muster zu erkennen.“ Mario sieht darin einen Weg, Mythen durch Fakten abzulösen. Ähnlich wie bei Bauernregeln, die aus datengestützter Sicht nur aus historischen Beobachtungen entstanden sind, stellt er eine solide Datengrundlage her und zieht daraus verlässliche Aussagen. In einer sich ständig wandelnden Welt ist dies für ihn ein essenzielles Werkzeug.

 

Auch Bienen liefern interessante Daten, wie Mario weiß.

Stoizismus als Betriebssystem

Sehr gelassen erzählt Mario von derlei Digitalisierungsvorhaben. Inmitten komplexer Projekte oder unvorhersehbarer Herausforderungen hält er sich an die Prinzipien des Stoizismus. „Das ist für mich wie ein Betriebssystem – besonders in stressigen Situationen: Fokus auf das, was man beeinflussen kann, wie Epictetus sagte.“ Reflexion und Selbstdisziplin sind für ihn essenziell, sowohl im Beruf als auch im Leben. Gerade in der Ruhe und Gelassenheit abseits von Computern und Datenblättern finde man Antworten auf viele Fragen, für deren Beantwortung im Alltag oft die Zeit fehle.

Tirol als Datensatz

Wie sähe Tirol als Datensatz aus? „Vielfältig und bunt, voller kleiner und großer Geschichten. Es gibt in Tirol definitiv mehr Kühe als Datenspezialisten“, lacht er. Und genau dies möchte er ändern: „Wir benötigen mehr Kompetenz im Umgang mit Daten, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Alltag. Daten sind wertvoll, aber daran hängt eine große Verantwortung.“

Er betont, dass es Nachholbedarf gibt: rechtliche Rahmenbedingungen, fehlendes Know-how und knappe Ressourcen bremsen die Entwicklung. „International sind China, die USA und Indien weit vorn, während Europa, Österreich und Deutschland hinterherhinken – die Akzeptanz liegt hier bei unter 20 %, während in China rund 90 % erreicht werden.“

Mario lehrt am MCI und der FH Kufstein. Ihm ist es ein Anliegen, ein breites Verständnis für Big Data und KI zu vermitteln. „Viele denken bei meinen Projekten, ich programmiere den nächsten Terminator. Tatsächlich verbringe ich viel Zeit in Excel und ähnlichen Datenblättern und versuche, aus Daten Wissen zu generieren. Data Science ist die Kunst, Zusammenhänge zu erkennen – viel mehr als nur Zahlenkolonnen.“

„Wir benötigen mehr Kompetenz im Umgang mit Daten, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Alltag. Daten sind wertvoll, aber daran hängt eine große Verantwortung.“
 
Mario Tuta -

Künstliche Intelligenz (KI) in Tirol

Seine Vision für die Zukunft von KI in Tirol ist von Pragmatismus geprägt: „KI wird alle Branchen durchdringen, und wir sollten uns dem nicht verwehren. Skepsis ist wichtig, aber wir dürfen uns nicht von der Hype-Maschinerie treiben lassen.“ Tirol hat großes Potenzial, insbesondere in produzierenden Gewerben und im Tourismus. Dafür braucht es Kreativität, Austausch und Analysekompetenz, um Lösungen für bestehende Probleme zu entwickeln.

Ein Beispiel aus der Praxis? Digitalisierung und Analysen können in vielen Bereichen helfen – zum Beispiel bei den Anpassungen an den Klimawandel. „Ein Kollege von mir analysiert beispielsweise den Wasserbedarf und den Einsatz von Pestiziden in einer Orangenplantage. Auch in Österreich gibt es Bestrebungen in Weingütern, wo mit Hilfe von Robotern und digitalen Modellen ganze Prozesse nachhaltig automatisiert und verbessert werden können.“

„Unseren Kindern soll es noch möglich sein, barfuß über eine Blumenwiese zu laufen. So, wie wir es noch erleben können.“

Mario Tuta -

Was uns dann noch bleibt

Abseits der Arbeit träumt Mario von einer Zukunft für Tirol, in der Natur und Lebensqualität erhalten bleiben. „Ich wünsche mir, dass die Natur so bleibt, wie sie ist – trotz Verkehr, Kommerz und anderer Herausforderungen. Unseren Kindern soll es noch möglich sein, barfuß über eine Blumenwiese zu laufen – so, wie wir es noch erleben können.“

Privat möchte er die durch Technologie gewonnene Zeit sinnvoll investieren. „In zehn Jahren sehe ich mich mit einem Haus, Garten, zwei Hunden und mehr Bienenstöcken – und natürlich mit meiner Familie. Durch KI könnten wir mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.“ Wenn er für ein paar Wochen der digitalen Welt entflieht, wie bei einer Reise im Camper durch Schottland, findet er Antworten auf die großen Fragen seines Lebens.

Heimat bedeutet für ihn ein Ort, an dem man sich geborgen und verstanden fühlt. Und ja – auch Daten können dazu beitragen.

Weitere Informationen: Stoic Analytics

Video: Jakob Strassl
Fotos: Jakob Strassl, Mario Tuta

Eva-Maria Hofer

Eva-Maria ist Kommunikationsexpertin aus dem Stubaital. Zuhause im Schreiben, daheim im Design – und tief verwurzelt in Tirol: Familie, Natur und alles, was die Berge zu bieten haben. Ihre Energiequellen? Die frische Winterluft auf der Wange und der klare Sternenhimmel einer Sommernacht in den Stubaier Bergen.