
schreibt leidenschaftlich gerne Geschichten über die Menschen in Tirol und über Themen, die das Land weiterbringen. Sie ist in Axams zu Hause, wo sie oft mit ihrem Hund in den Bergen unterwegs ist.
Betritt man den Grünwalderhof in Patsch bei Innsbruck, fühlt man sich in eine längst vergangene Zeit versetzt. Erste Aufzeichnungen des Hauses reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Geweihe auf hölzernen Trophäenplatten und viele Bilder mit Jagdszenen lassen erahnen, welcher Leidenschaft die ehemaligen Bewohner nachgegangen sind. Dunkle Ölgemälde an den Wänden zeigen Gräfinnen und Grafen, erkennbar an ihren edlen Gewändern und ernsten Mienen, die sie für die Portraitmaler aufgesetzt hatten. Es sind wohl die Vorfahren der heutigen Grafen von Thurn Valsassina und Taxis, die hier verewigt worden sind. Seit fast 500 Jahren ist der Grünwalderhof im Besitz von Angehörigen dieses Adelsgeschlechts. Als Hotel wird der ehemalige Jagdansitz seit 1926 geführt, seit zwei Jahrzehnten leitet Hansjörg Ribis den Hotel- und Gastbetrieb.
Dass die Jagd Teil der Geschichte des Hause ist, spürt man überall.
Aus der Küche hört man Klappern von Geschirr, das Zuschnappen von Schranktüren und ein schnelles rhythmische Klacken, wie es beim Zerkleinern von Kräutern entsteht. Hansjörg Ribis bereitet sich auf das Mittagsgeschäft vor. Er liebt es, für seine Gäste zu kochen. Dafür verwendet er möglichst regionale Lebensmittel von ausgezeichneter Qualität, was man schmeckt.
Warum die Gäste so gerne in das Haus kommen, das nicht zentral in einem Ort, sondern abseits an der Bundesstraße zwischen Igls und Patsch steht, liegt nicht nur an Hansjörgs köstlichen Gerichten. „Das ist das Haus in der Sonne, mit der schönen Aussicht, wo man Feste feiern kann, wo man aber einfach auch nur einen Kaffee trinken kommen kann. Wo man willkommen ist.“ beschreibt Hansjörg Ribis den Grünwalderhof.
Was er meint, erkennt man sofort, wenn man die Tür zur Terrasse öffnet. Der Blick von der geräumigen Terrasse im Südwesten des Hauses, die fast nahtlos in eine Bergwiese überzugehen scheint, reicht an klaren Tagen vom Stubaier Gletscher bis zur Zugspitze. „Morgens ist die Stimmung am besten, weil das Licht viel besser ist,“ weiß der Hobbyfotograf Hansjörg, der am liebsten Vögel fotografiert, wenn es die Zeit erlaubt und es nicht gerade sehr windig ist. Spitzen bis zu 80 km/h sind durchaus möglich. „Es hat uns die ganze Terrasse schon abgeräumt,“ erzählt Hansjörg. Die meiste Zeit jedoch ist es sehr angenehm.
Hansjörg würde sich gerne öfters zu den Gästen gesellen. Er wünschte, er hätte mehr Zeit dafür. Derzeit ist er in der Küche zu sehr eingeteilt. „Einerseits sehe ich, was aus der Küche raus geht. Andererseits fehlt mir der Kontakt zu den Gästen, mit ihnen zu reden und auch mal eine kleine Show zu machen,“ sagt er augenzwinkernd. Das kann man sich bei ihm sehr gut vorstellen.
Ein besonderer Platz, besonders in der Abendsonne.
„Zu freundlichen Menschen sind Sie freundlich.“ Das ist der Satz, den ihm ein Gast einmal gesagt hat und den er nie mehr vergessen wird. Man könnte auch sagen, wie man in den Wald, in diesem Fall in die Gaststube, hineinruft, kommt es zurück. Der Gast kann in vielen Fällen die Gastfreundschaft durch seine Art mitbestimmen.
Gastfreundschaft ist auch wichtig, wenn es um Jobs im Gastgewerbe geht, die als nicht gerade attraktiv gelten. „Wenn man freundlich ist, gibt es Trinkgeld. Es gibt ein Mittagessen, ein Abendessen. Unterkunft. Wenn man das alles selbst bezahlen müsste, dann kann man nicht mehr davon reden, dass es unattraktiv ist, im Gastgewerbe angestellt zu sein.“ Der Gastwirt wirkt nachdenklich. „Die Kollektivvertragslöhne sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Ja, es ist körperlich anstrengend und man muss sich konzentrieren. Man braucht Geduld mit sich selbst und den Gästen. Aber unattraktiv ist so ein Job wirklich nicht mehr.“ Hansjörg Ribis zuckt verständnislos mit den Schultern. Die Bedingungen haben sich deutlich verbessert.
Früher war das Gastgewerbe allgemein anders. Er selbst ist mitten in Neustift im Stubaital in einem Gasthaus aufgewachsen. Vom Dorfpfarrer bis zum Bürgermeister kehrten nahezu alle Einheimischen dort ein. „Das Ganze war etwas rustikal. Ich habe als Bub einen betrunkenen Gast auf den Dorfplatz hinausgetragen und habe ihn heimgeschickt. Das kann man mit heute nicht vergleichen. Heute sind die Erwartungen und die Anforderungen sehr gestiegen. Aber an dem wächst man,“ fügt der gebürtige Stubaitaler hinzu.
Wenn er hin und wieder in einem anderen Gasthaus einkehrt, ist er kritisch bei Dingen, die nicht passen. Aber vielmehr will er sich abschauen, was andere gut machen. Beim Essen hat er eine klare Einstellung. „Wichtig ist neben dem Genuss, dass man satt wird!“ Er untermauert seine Überzeugung mit einem Lachen und einem kräftigen Griff auf seinen Bauch. „Und manchmal sieht man das auch.“
Drinnen oder draußen? Das Wetter entscheidet.
Als Hansjörg nach seiner Ausbildung in den Grünwalderhof gekommen war, hatte er nichts als eine Jacke und einen Rucksack dabei. Heute hat er eine Frau und vier Söhne, auf die er sehr stolz ist. Seine Familie trägt seine Arbeit mit, denn die gemeinsame Freizeit ist rar. Seine Frau Christine unterstützt ihn im Büro und kennt sich sehr gut mit Weinen aus. Und wenn es so weiter geht, wird sein zweitältester Sohn wohl öfters den Kochlöffel in der Küche des Grünwalderhofs schwingen. „Da kann ich mir noch etwas abschauen,“ erzählt Hansjörg stolz, wie gut der 14jährige zu Hause Dreigängemenüs für die Familie kocht. „Er wird die Tourismusschule Villa Blanka in Innsbruck besuchen.“ Somit ist der Samen gesät, der die Weiterführung des Grünwalderhofs in den Händen der Ribis sichern könnte, soweit sein Sohn das auch möchte. Hansjörg wünscht sich, dass der Nachwuchs seine eigenen Entscheidungen für sein Leben trifft.
Bei Hansjörg war der Weg vorgezeichnet. Dabei hatte er in ganz jungen Jahren Aussicht auf die Karriere eines Skirennläufers. Er absolvierte das renommierte Ski-Gymnasium in Stams in Tirol, welches immer wieder Spitzen-Skisportler:innen hervorbringt. Aber für Hansjörg war immer klar gewesen, dass er eines Tages in die Fußstapfen seines Großvaters und Vaters treten würde, die beide einen Gastbetrieb geführt hatten. Und auch, dass er den Beruf Gastwirt nicht nur ausüben, sondern leben will. „Wer glaubt, dass er als Wirt Arbeit und Leben trennen kann, der wird viel zu viele Stunden arbeiten müssen, ohne zu leben. Ich habe ein Leben und die Arbeit gehört dazu.“ Hansjörg wirkt sehr zufrieden, während er das sagt.
Das Haus in der Sonne thront über das Wipptal.
An seiner Heimat schätzt Hansjörg besonders, dass man sportlich so viel machen kann. „Wir haben eine tolle Infrastruktur. Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass man woanders auf der Welt auf so geballtem Raum so ein Angebot leicht finden wird.“ Diese alpine Lebensqualität ist für ihn ein wichtiger Glücksfaktor. Skifahren, Klettern, Radfahren, dafür nützt er jede freie Stunde. „Der Flow entsteht bei mir beim Skifahren bei 90 oder 100 km/h bei einem schnellen Schwung.“ Man muss wieder an den jungen Hansjörg als Skirennläufer denken. Ein anderer Glücksfaktor hat mit seiner Arbeit zu tun. „Wenn ein starker Tag im Betrieb super läuft. Wenn man am Abend zufrieden nach Haus geht. Das hat auch was.“ Hansjörg lächelt und sieht schon vor Mittag glücklich aus, obwohl er noch gar nicht weiß, wie der Tag verlaufen wird. „Aber das Glück ist ein Vogerl,“ ergänzt er seine Aussage und unterstreicht damit, dass Erfolg flüchtig sein kann.
Das Mittagesgeschäft rückt immer näher. Was Hausmeister und Koch Ribis heute zaubern wird, liegt am Gusto seiner Gäste. Einige Teller Leberknödelsuppe werden bestimmt wieder dabei sein. Warum gerade die so gut ist, verrät Hansjörg Ribis nicht wirklich. „Nur gute Zutaten,“ sagt er geheimnisvoll und verschwindet in die Küche.
Wirt, Hotelier, Koch, Hausmeister und alles, was sonst noch nötig ist. Hansjörg Ribis lebt seinen Beruf.
Video: Jakob Strassl
Fotos: Jakob Strassl, Isabelle Bacher, Christina Schwemberger
schreibt leidenschaftlich gerne Geschichten über die Menschen in Tirol und über Themen, die das Land weiterbringen. Sie ist in Axams zu Hause, wo sie oft mit ihrem Hund in den Bergen unterwegs ist.